Wie treffen wir eigentlich die richtige Entscheidung?
Intro
Stell dir vor, du bist nach Feierabend mit Freunden zum Spieleabend verabredet und du möchtest deswegen schnellstmöglich von der Arbeit nach Hause fahren. Normalerweise fährst du über die Landstraße. Diese Strecke ist zwar etwas länger, aber im Grunde schneller, weil sich in der Rush Hour einfach alles ewig durch die Stadt zur Autobahnauffahrt zieht. So sparst du dir den Stadtverkehr und gewinnst Zeit.
Heute konntest du aber zwei Stunden eher Feierabend machen und überlegst nun, ob du heute – noch vor der Rush Hour – die kürzere Strecke über die Autobahn nimmst.
Du stehst also vor der Entscheidung,…
a)…die längere Strecke über die Landstraße zu nehmen. Damit hattest du noch nie Probleme.
b)…die kürzere Strecke über die Autobahn zu nehmen. Denn heute gerätst du im Stadtverkehr sicherlich nicht in die Rush Hour.
Nehmen wir an, du entscheidest dich für b). Der Stadtverkehr ist tatsächlich leerer als sonst und du kommst in Nullkommanichts auf die Autobahn. Doch die Freude vergeht dir, als du auf einen Stau auffährst. Wegen einer Baustelle wird es einspurig…naja wir kennen das.
Wärst du mal über die Landstraße gefahren, denkst du dir. Da hast du wohl die falsche Entscheidung getroffen, oder?
Willkommen im brandneuen Themenmonat mit Schlachtplan. Im Februar dreht sich hier alles um Entscheidungen treffen und die Frage nach dem Bauchgefühl.
Viel Spaß beim Lesen!
Input
Um die obige Frage zu beantworten und dich zu trösten: Nein, du hast nicht die falsche Entscheidung getroffen, sondern die richtige. Das Ergebnis war einfach mies und das passiert.
Häufig wird eine gute Entscheidung am Ergebnis gemessen: Ist das Ergebnis positiv, war die Entscheidung die richtige. Fakt ist aber, dass wir niemals alle Faktoren bei einer Entscheidung berücksichtigen können – vor allem nicht dann, wenn unsere Entscheidung die Zusammenarbeit mit Menschen betrifft – naja oder das Wetter oder einen Stau! 😉
Das bedeutet, dass zu einer guten Entscheidung, welche zu einem positiven Ergebnis führt, immer auch ein Quäntchen Glück gehört. Glück, dass sich unbekannte Einflüsse zugunsten unserer Entscheidung oder wenigstens unauffällig verhalten.
Die Unbekannte aus der Einleitung ist einfach die Baustelle auf der Autobahn. Alle Faktoren, welche den Stadtverkehr negativ beeinflussen könnten, waren unbedenklich, da du eher Feierabend machen konntest. Du hast nur vergessen, dass natürlich auch die Fahrt auf der dreispurigen Autobahn behindert werden könnte. Da hast du einfach Pech gehabt. Aber deine Entscheidung war ja deswegen nicht per se schlecht.
Dennoch messen wir eine Entscheidung fast ausschließlich am Ergebnis. Das nennt sich in der Forschung Resulting. Die Portion Glück wird einfach vernachlässigt.
So begegnet auch die Rational Choice Theorie dem Thema Entscheidungsfindung. Sie geht davon aus, dass ein Individuum immer den Zweck, die vorhandenen Mittel und die erwartbaren Konsequenzen seiner/ihrer Handlung kennt und rational gegeneinander abwägt, um Handlungsentscheidungen zu treffen. Dabei vernachlässigt die Theorie aber die Komplexität der Einflüsse auf menschliches Verhalten. Denn im Kern ist jede Entscheidung eine unsichere Prognose der Zukunft.
Also halten wir fest:
- Für ein gutes Ergebnis braucht es eine Entscheidung und eben doch etwas Glück.
- Eine Entscheidung zu treffen, bedeutet immer, unsicher die Zukunft zu prognostizieren.
- In eine Entscheidung können nie alle beeinflussenden Faktoren einbezogen werden – Dinge können sich immer ändern.
Und trotzdem treffen wir ständig Entscheidungen, müssen wir ja. Und wir kommen durch. Selbst wenn wir uns nicht aktiv FÜR etwas entscheiden, entscheiden wir uns unbewusst dagegen. Immer und immer wieder treffen wir innerhalb kürzester Zeit „richtige“ Entscheidungen, „wissen“, was in einer Situation zu tun ist. Und selbst wenn die Sachlage neu ist und wir eine solche Entscheidung – welcher Art auch immer – noch nie treffen mussten, so haben wir doch einen nicht fassbaren Unterstützer: Applaus an das Bauchgefühl.
Das Bauchgefühl oder die Intuition ist eine unbewusste Verknüpfung aus Gefühlen und Gedanken. Quasi der emotionale Beigeschmack von Überlegungen.
Wird während einer Entscheidungsfindung eine Emotion ausgelöst, beginnt der präfrontale Cortex (ein Teil des Frontallappens der Großhirnrinde) mit der Analyse dieser Emotion: Worauf beruht sie? Woher kommt sie? Was machen wir üblicherweise mit dieser Emotion?
Anschließend entscheidet er sich für die geeignetste Reaktion.
Manchmal können wir unser „G’schmäckle“ nicht mal richtig greifen und versuchen dann, vor uns selbst das Bauchgefühl durch geschickte Argumentation umzukrempeln oder zu unterstützen. Mal mehr und mal weniger erfolgreich. Denn das Bauchgefühl beruht auf ähnlichen vergangenen Erfahrungen, Erzählungen oder Werten und bezieht so immer eine Dimension in die Entscheidungsfindung mit ein, welche die aktuellen Informationen übersteigen. Und genau deshalb ist es so bedeutend.
Thomas Klausberger vom Zentrum für Hinforschung der MedUni Wien erklärte im Übrigen, dass schon Sekunden vor der Entscheidungsfindung anhand der Aktivität im präfrontalen Kortex messbar ist, wie eine Entscheidung ausfallen wird. Das gilt vor allem für kurzfristige Entscheidungen. Erst danach finden wir eine Erklärung – quasi post hoc.
Inside
Egal wie viele noch so detaillierte Informationen uns für eine Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen, ein Bauchgefühl haben wir meist dennoch. Und das ist gut so. Denn die aktuelle Studienlage weist auf einen Zusammenhang von Information Overload und schlecht getroffenen Entscheidungen im Führungsalltag. Aha, wir treffen also weniger gute Entscheidungen, je mehr Infos wir jonglieren müssen.
Warum eine gesunde Portion Bauchgefühl auch für die Führungskraft wichtig ist und was „intuitive Leadership“ bedeutet, klären wir in einem weiteren Beitrag.
Zum #methodenmittwoch haben wir eine erprobte Strategie zur besseren Entscheidungsfindung für euch und klären zum Abschluss des Themenmonats mit wem wir eigentlich innerlich diskutieren, wenn wir Entscheidungen abwägen.
Outro
Und weil es das erste SchlachtBlatt im neuen Jahr ist, hier ein kleines Entscheidungsrecap für euch persönlich:
Im vergangenen Jahr, welche Entscheidung, die du getroffen hast, war…
- …goldrichtig?
- …längst überfällig?
- …leider falsch, hat mir aber gezeigt, dass…
- …super schwer und warum?