Intro
Wir kennen alle die Geschichte von Narziss & Echo: Echo, welche sich selbst durch einen Fluch nur im Widerhall dessen fand, was die anderen sagten. Und Narziss, welcher ertrank, als er sein eigenes Spiegelbild im Wasser ergreifen wollte.
Narziss sucht immer nur sich selbst und Echo hat ihr Selbst verloren.
Als im Team der Vorschlag kam, einen Themenmonat zu Narzissmus zu machen, zog die Hälfte der Schlachtplan-Crew zischend Luft durch die Zähne, die andere Hälfte war begeistert. Narzissmus ist aktuell in aller Munde und dennoch ein höchst sensibles Thema. Bei keinem anderen Themenmonat bisher waren wir so zwiegespalten, so vorsichtig und bedacht. Aber letztlich war genau das der Grund: In unserem Alltag bei Schlachtplan begegnen uns Menschen mit narzisstischen Anteilen genauso wie mit echoistischen Anteilen.
Also dann: Herzlich Willkommen im Oktober zum Thema Narzissmus & Echoismus.
Input
Wenn du dich nun entscheiden müsstest, wärst du Team-Narziss oder Team-Echo?
Menschen mit hohen narzisstischen Persönlichkeitsanteilen haben einen hohen Drang nach Bewunderung durch andere. Sie sind überzeugt davon, Vorrechte zu haben und sind äußerst empfindlich gegenüber Kritik und all denen, welche ihre Sonderstellung in Frage stellen. Häufig fühlen sich Narzissten ungerecht behandelt und ständig durch die Inkompetenz anderer ausgebremst. So viel zu den gängigsten bekannten Merkmalen, denn Spoileralarm: Es gibt auch gute Seiten an Menschen mit höheren narzisstischen Anteilen.
Echoismus ist das exakte Gegenteil: Echoisten wollen bloß keine Narzissten sein. Sie kümmern sich vornehmlich um die Bedürfnisse anderer und stellen ihre eigenen zurück. Sie äußern keine Sorgen und möchten keine Belastung sein und sind niemals egoistisch. Auch wenn das bedeutet, über ihre eigenen Kräfte hinauszugehen.
Beides Extreme und beides nicht gerade ideal. Dennoch wird der Echoismus gesellschaftlich höher gehandelt und Narzissmus als negativ konnotiert.
Empathie und grenzenlose Hilfsbereitschaft vor Egoismus – obwohl eine gesunde Portion Egoismus zur Selbstfürsorge durchaus ihren Wert hat, oder? Warum aber haben wir so ein Thema mit Narzissmus? Und warum reden aktuell alle davon?
Nun das könnte man unter anderem mit der Studie „Die Jungbullen kommen“ (2020) beantworten. Demnach neigen vor allem junge Menschen um die 30 Jahre zu ausgeprägten narzisstischen Zügen. Je älter die Befragten wurden, desto weniger ausgeprägt waren ihre narzisstischen Anteile. Damit trifft die Studie einen sensiblen Nerv der Gesellschaft, schließlich ist es genau diese Generation, welche zunehmend den Arbeitsmarkt erobert und die älteren Generationenkohorten im Unternehmen verdrängt.
Die Forscher begründen die Ergebnisse übrigens mit der erhöhten Social Media Nutzung, worin die jungen Generationen konstant den Drang haben, sich selbst in Szene zu setzen.
Das greift uns nicht weit genug. Vielleicht müssen sich jüngeren Generationen gegenüber der Haltung und dem Habitus der Nachkriegs- und Babyboomer-Generation im Unternehmen durchsetzen und auflehnen und werden daher eher als egoistisch abgestempelt: „Nur auf sich selbst bedacht…“, „Wollen nicht mehr wirklich arbeiten…“
Und noch eine Frage: Wenn junge Führungskräfte narzisstischer sind als ältere, fördern Unternehmen dann möglicherweise noch ein veraltetes Bild des dominanten, meinungsstarken und durchsetzungsfähigen Chefs? Wird eine narzisstische Haltung in Führungspositionen so sogar noch belohnt? Oder welche Fähigkeiten sind denn an Unternehmensspitzen eher gefragt: Die des meinungsstarken, selbstsicheren guten Redners oder die des zurückhaltenden und empathischen Teamplayers?
Es ist die aktuelle Culture of Personality welche genau solch extravertierte, selbstbewusste Menschen herausstellt.
Der Echoist mit seinen Werten und seinen Merkmalen ist der scheinbar perfekte Kollege: Ruhig, hilfsbereit und die Bedürfnisse des Teams ständig im Blick. Ja, eigentlich wäre ein Echoist auch die perfekte Führungskraft. Oder nicht?
Nun, wenn du uns hier schon länger verfolgst, weißt du zwei Dinge über uns:
- Wir brechen gern eine Lanze für das Unscheinbare oder für „das Andere“.
- Wir finden, dass Vieles eine Frage der Perspektive ist und kaum etwas wirklich falsch oder gänzlich richtig ist.
Here we are und sind der Meinung: eine gewisse Portion Narzissmus ist wichtig für persönliches Wachstum und Selbstfürsorge.
Emily Grijalva und Peter Harms haben schon vor zehn Jahren in einer Studie festgestellt, dass ein mittleres Maß an Narzissmus mit hohen Führungsqualitäten einhergeht. Testen lässt sich Narzissmus übrigens unter anderem über die Ausprägung der Extraversion.
Extraversion und Introversion – auch zwei Gegensätze, welche wir in einem SchlachtBlatt verhandelt haben.
Ein geringes Maß an Narzissmus ging in der Untersuchung mit Selbstunsicherheit und sozialen Ängsten einher. Diese Menschen haben ein geringeres Selbstwertgefühl und waren sich ihrer Stärken nicht bewusst.
Wer allerdings nach einer höheren Position oder Wachstum strebt, braucht genau das. Mit der Haltung „Ich schaffe das!“ und etwas Kampfgeist lassen sich Probleme einfacher lösen und Bedingungen durchfechten. So bekommt auch die dunkle Persönlichkeitsausprägung Narzissmus eine helle Seite (nach Psychologe Gerhard Blickle).
Noch eine gute Nachricht für das Team-Narziss kommt vom Forscherteam um Emanuel Jauk. Sie untersuchten 140 Personen mithilfe psychologischer und neurowissenschaftlicher Methoden und gingen der Frage nach, ob Narzissmus wirklich mit einem Mangel an Empathie in Verbindung gebracht werden kann. Die Antwort: Jein.
Im Klaren bedeutet das, dass Empathie bei Menschen mit hoher narzisstischer Ausprägung im Alltag zwar reduziert ist, dass das allerdings nichts mit einem grundsätzlichen Unvermögen zu tun hat, sondern eher mit der Motivation zusammenhängt. Unter den Laborbedingungen war das Empathievermögen nicht eingeschränkt.
Diese Fähigkeit im Alltag auch anzuwenden, hängt also von den individuellen Werten und Motivatoren ab und lässt sich dementsprechend auch erlernen oder trainieren.
Jetzt fassen wir nochmal unsere Top 3 Erkenntnisse zusammen:
- Jemand ist nicht ein Narzisst oder er ist keiner. Narzisstische Anteile schlummern in jedem von uns und haben ebenso differenzierte Ausprägungen.
- Ein gewisser Anteil Narzissmus kann uns helfen, gut für uns selbst zu sorgen und zu wachsen.
- Narzisstische Menschen sind weniger empathisch, müssen dies aber nicht zwangsläufig sein. Sie brauchen einfach einen guten Spiegel und Unterstützung. Wie das funktioniert, klären wir in einem Beitrag.
Grandioser oder überzogener Narzissmus ist keine gute Eigenschaft und macht den Umgang mit solchen Menschen teilweise unerträglich schwer. Aber ebenso verhält es sich mit starken echoistischen Persönlichkeiten. Zwar sind diese leichter zu übersehen, bringen in einem Team aber weder innovative Gedanken noch Enthusiasmus in schwierigen Phasen eines Projektes.
Wer hätte es gedacht, aber wir sind weder Team-Narziss noch Team-Echo. Sorry.
Inside
In unseren Beiträgen diesen Monat klären wir den Unterschied zwischen Introversion und Echoismus. Wenn Narzissmus eher mit Extraversion einhergeht, müsste dies doch auch für Introversion und Echoismus der Fall sein. Richtig?
Außerdem fragen wir nach verschiedenen narzisstischen Typen im Alltag, denn wie wir nun wissen: Narzissmus ist nicht binär.
Weiterhin erzählt Mara in #marameint von einer unschönen Erfahrung mit einer grandiosen Narzisstin und warum für sie nur ein Kontaktabbruch half.
Dass das nicht immer so sein muss und es durchaus Wege gibt, die Beziehung zu Menschen mit hohen narzisstischen Anteilen zu stärken, klären wir zum #methodenmittwoch.
Outro
Frei aus dem Bauch heraus und nur für dich: Hast du eher narzisstische oder echoistische Persönlichkeitsanteile? Und jetzt, wo wir Vor- und Nachteile beider Extreme geklärt haben, frage dich einmal: Was bewunderst du am jeweils anderen Extrem?